T. Aschenlampe - 26. Apr, 01:13
Ich denke, dass man der Frage, warum Menschen Gewalt ausüben, nur schwerlich beantworten kann, ohne sich zu fragen, von wem, gegen wen und wie Gewalt ausgeübt wird und dabei nach Analogien zu suchen. Ein Amokläufer interagiert ja auf eine ziemlich heftige Weise - und man kann vermuten, dass er letzendlich reagiert. Das zeigen zumindest die Vorgeschichten diverser Amokläufe - auch Georg Stefan Trollers Essay am letzten Montag Abend auf Phönix. Der von Troller dokumentierte Fall handelt von Wayne Lo, einem US-Amerikaner taiwanesischer Abstammung, der 1992 wahllos auf dem Campusgelände des Simon's Rock Colleges in Massachusetts herumschoss. (Der hatte damals noch gar nicht die Gelegenheit, am Computer Gewalttaten präparierend zu simulieren.) Der hatte plötzlich den Einfall, die Offenbarung des Johannes zu auszuführen. (Kein Mensch käme übrigens deshalb auf die Idee, die Bibel zu verbieten.) Wayne Lo, der ausnahmsweise weder sich selbst erschoss noch erschossen wurde, kann sich seine Tat nicht selbst erklären. Doch wenn man nach Analogien sucht, dann kann man schon feststellen, dass das Zusammentreffen von Wahn und moralischer Rigorosität auffällig häufig ist. Also eine gewisse Form des Terrorismus, die hier eben punktuell, individualistisch auftaucht. Auffallend auch, dass Amokläufer während ihrer Exekutionen von einer uns befremdend erscheinenden Ruhe erfüllt sind - es geht dabei also nicht um einen emotional aufgeladenen Blutrausch, wie man gerne unterstellt, sondern um die sachgemäße Ausführung eines Auftrags. (Macht das sachgemäße Ausführung von Aufträgen verdächtig? Könnte sein…) Jedenfalls sind die Opfer von Amokläufern immer die "Normalen", also wir alle, die das Alltagsleben ausführen. Und gegen diese Normalität scheinen sie Amok zu laufen. Sie empfinden das normale Leben nicht als normal. (Man könnte also auch das normale, kleinklein Leben aufzulösen versuchen, um Amokläufe zu verhindern - hört sich absurd an, aber ist eine Möglichkeit.) Vielleicht sollte man viel hellhöriger in diese Geschichten hineinlauschen, um einen Sound wahrzunehmen, der nicht folgenloses Entsetzen verlangt, sondern radikale Veränderung.
sjAlfur - 26. Apr, 19:44
du solltest diesen kommentar einrahmen und an alle schicken, die die öffentliche meinung prägen. das wäre mal eine sinnvolle herangehensweise darüber zu diskutieren... meiner meinung nach. (vielleicht fehlt dem zur bühnentauglichkeit die polemik, aber für was hat man die medien...)