Sonntag, 16. Dezember 2007

"Besser ist es, die Wahrheit zu wissen, als in der Lüge zu träumen!..." -Wirklich?

Man ist immer von irgendwem das Kind, von irgendwem der allzumenschlich Fehler begangen hat. Der eine mehr oder weniger.
Man stelle sich vor, fast das ganze Leben gelebt und man erfährt als Adoptivkind welches Schicksal die wahren Eltern waren. Wer sie waren. Wenn es auch noch Personen der Geschichte sind mit brutaler Analyse der Öffentlichkeit. Was bedeutet das plötzlich für einen, sagt es etwas über mich aus? Dinge, die man früher einfach von sich weisen konnte, treten einem nahe, man muss darüber nachdenken. Muss auf ganz andere Art urteilen, verurteilen, als es Historikern eigen ist, sein muss.
Vor Jahren habe ich den Kurator einer Ausstellung zu Apfelböck in München getroffen. Manch einer kennt die Geschichte, vor allem weil die damalige Boulevardpresse so viel darüber berichtete, dass es viele Künstler dazu bewegte es zu verarbeiten. Unter anderem Brecht. Auch wenn sein Apfelböck nicht mehr ganz so viel mit dem wirklichen Jungen zu tun hatte, der seine Eltern mit einer lächerlich kleinen Pistole erschoss und dann viele Tage mit den Leichen in der Wohnung weiter lebte. Bis der Sommer die Tat den Nachbarn erst aufdeckte.
Der Kurator erzählte, dass er sich während der Arbeit zur Ausstellung überlegte, dass der Name im Süden nicht all zu häufig vorkomme und ob es heute leicht wäre Verwandte zu finden. Er rief also alle Apfelböcks an und fragt eise, ob ihr Verwandter, ihre Vater z.B. ein Mörder gewesen sei. Und tatsächlich fand er den Sohn, der allerdings nicht gewusst hatte, wer sein Vater gewesen war. Sein Vater hatte nach dem Zuchthausaufenthalt geheiratet, gearbeitet und Kinder bekommen. Er war ein Mensch, nicht besonders gut und auch nicht schlecht. So der Sohn. Am Ende des Gesprächs begann er zu begreifen. Er wurde still, es arbeitete in ihm. Der Kurator hingegen fühlte sich wie Kassandra.
Wie mag es erst einem Menschen gehen, dem gesagt wird, dass seine Mutter Unity Mitford und der Vater Adolf Hitler sind?
Und wie mag sich der Journalist fühlen, der diese Nachricht überbringt? Falls es etwas zu übermitteln gibt, werden wir es erfahren. Die britische Presse sucht schließlich wie besessen, wie die taz hier schildert.

gewaltige Leichtigkeit

100 Jahre und Oscar Niemeyer baut weiter. Bestimmt sieht man die Veränderung und sei es im Alter vom porösem Skizzenpapier, doch die Art der Zeichnung seiner Entwürfe sieht gleich aus. Seine Entwürfe „tropisch“ und seine Meinung recht tolerant. Vielleicht vor allem, weil er seine Ruhe haben wollte und die doch eigentlich verwandt sein müssenden Betonbauten von Gropius und den anderen Bauhäuslern schrecklich fand. Andersrum übrigens auch, ganz entschieden sogar.
Nach zwei Jahrzehnten flammte das Interesse für die Moderne wieder auf, für die Villen mit ihren schlanken Piloten neben Palmen, und erst recht, wenn eine der zentralen Personen auch noch lebt und seine Sterblichkeit durch einen Geburtstag offensichtlich wird.
Seine Arbeit teilweise wahnsinnig, genau wie schon der Grundgedanke eines Stadtbaus, nicht etwa auf „grüner Wiese“ wie so manche andere Hauptstadt, sondern mitten in der wildesten, unerreichbaren Wildnis. Aber nicht nur der damals junge Architekt glaubte daran, nicht nur sein Auftraggeber, sondern nahezu das ganze Land träumte den Traum: Brasilia.
Sein Zeichenduktus hat sich vielleicht nicht verändert und auch sein kommunistischer Gedanke schwelt in der auf jeden Fall klassisch modern geprägten Architektur weiter, aber da ist eine Entwicklung. Niemeyer spürt die Zeit. Und wenn uns vieles pompös aufgeladen erscheint, dann ist es das vielleicht auch. Vielleicht ist gerade darum unser Interesse wieder so gestiegen an solchen Bauten. Oder vielleicht sind sie gar nicht widersinnig aufgeblasen, sondern wirklich durch ein Ideal voller Größe (auch wenn man natürlich bei einer Architektur für eine Badelandschaft zynisch werden könnte).
Man kann es sehen wie man will. Seine Architektur wagt es immer noch zu träumen, mehr gesagt wagt zu versuchen den Träumen Festigkeit zu geben. Auch wenn sie sich zum Teil später als all zu menschlich unmenschlich erweisen.

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