Mittwoch, 7. Januar 2009

Neujahr oder wie ich den Hund meiner Schwiegereltern vergiftete

Da ich langsam in das gesetzte Alter komme zu wissen, dass man nicht Silvester auf die Idee kommen sollte für die Party Besorgungen erledigen zu wollen, regelte ich das dieses Jahr schon früher. Zum neuen Jahr sollte es also tatsächlich Baguette geben und keinen Ersatz in Form eines formschönen Kastenbrotes. Nein, was das anbelangt, hatte ich meiner imaginären Strichliste schon etliche Häkchen anfügen können und sogar der abstrusen des Fanatikers. Wir waren also vorbereitet, das neue Jahr konnte kommen und wir hatten zumindest die letzten Tage des alten Jahres vollkommen unter Kontrolle.
Fast jedenfalls, denn wie das Schicksal es wollte, ging ich unter die Giftmischerinnen. Meine Vorsätze für das Neue Jahr schienen unterbewusst zu sein mal einen neuen Berufszweig ergründen zu wollen und neue Pfade zu beschreiten. Ich dachte eigentlich, dass wenn ich einen Mord begehen würde ich eher brachialer ans Werk gehen würde. An einen Dolch, meinetwegen ein Messer, einen Hammer, eine Kettensäge, meine Fäuste oder auch meinetwegen eine Glock als Werkzeug… doch es sollte anders kommen.
Mit seinen Geschwistern hatte sich der Fanatiker bereit erklärt das Haus und vor allem den autistischen Hund zu hüten und darauf zu achten, dass er seine Pillen für sein Drüsenleiden sowie das Beruhigungsmittel, welches er aufgrund seiner Altersdemenz verschrieben bekam, pünktlich morgens und abends in einem diskreten Fleischröllchen verabreicht bekam.
Alles an sich ganz einfach, hatten wir doch sogar eine Strichliste und jeder mindestens dreimal Instruktionen über die richtige Dosierung erhalten. Ein einfacher Job dafür, dass wir nun einen Ort hatten, um mit gleich gesinnten Silvestermuffeln einen schönen Abend verbringen zu können.
Doch eine Verkettung von unglücklichen Missgeschicken führte dann doch zu einigen Verwirrungen und Aufregungen. Niemals las ich vorher so viele Informationen zu Medikamenten und dabei half ich meinem Bruder bei seiner Ausbildung, doch das ist wieder eine andere Geschichte.
Wer hätte gedacht das ein fast kleiner Hund vom Aussehen mehr eine Kreuzung zwischen Schäfchen (nein, kein Schaf) und Ewok soviel Mühe bereiten könnte? Mein Herz brachte dieses Wesen jedenfalls sehr zum Klopfen. Ich war entweder verliebt oder in absoluter, kaum lässig verholener Panik!
Ein, zwei Tage vor Silvester, wir betranken uns schon, denn das können wir Heidjer in geselligen Runden besonders gut und verdrängen zusammen die Zukunft (gut, manche leben schon mehr in der Zukunft und überholen wie die Weltmeister, ohne je einen Führerschein gemacht zu haben, aber denen höre ich nur lächelnd zu) und leben im Jetzt, als ich auf die Uhr blicke. Es ist Zeit für den Hund seine Medikamente zu nehmen. Ich blicke sogar auf die Strichliste, ob womöglich jemand anders die gleiche Idee hatte. Nein, nichts eingetragen. Ich dosiere also alles und wickle es in Pastete und reiche es feierlich dem Hund. Da er dement ist, konnte er mir wohl nicht erklären, dass ich gerade einen folgenschweren Fehler beging. Nein, er leckte sich sogar zufrieden über die Lefzen. Mir erschien die Welt zwar nicht rosig aber irgendwie noch in ihren gebrochenen Fugen.
Das änderte sich, als die Wetterfrau hereinkam, sie ist die Schwester des Fanatikers und eigentlich noch keine fertig ausgebildete Wetterfrau, aber für mich ist Physik genauso erklärbar wie Schamanismus, sodass ich mich mit diesem Teil ihrer Welt kaum auseinandersetze. Besagte Wetterfrau sah meine Striche und Kreise auf der Medikamentenliste und bekam einen ernsten und sicher fast schon zornigen Ausdruck. Wie sich herausstellte, hatte sie dem Hund - ohne Eintragung in die Liste – längst die Tabletten gegeben. Ohne das ich Spaß daran hatte, war ich zu der Frau geworden, die den Hund ihrer Schwiegereltern vergiftete. Ich trank mein Whiskeyglas bis zum Grund aus. Verdammt!
Natürlich waren die Beipackzettel nicht da, sodass ich erstmal im Internet nachforschte und so einiges über die Medikamente des Hunds erfuhr. Das Wölkchen schlief derzeit seelenruhig auf einem Kissen, die anderen betranken sich ruhig weiter, der Fanatiker war sich sicher, dass der Hund mehr wegstecken könne, als man ihm so allgemeinhin ansähe.
Mein Herz pochte.
Nun, eines der Nebenwirkungen eines der Medikamente stellt eine gekrümmte Körperhaltung dar… tja, dieser Hund wusste gar nicht was eine gerade Körperhaltung sein könnte, daran würde ich also keine Gewissheit erhalten. Ich rief den Hund zu mir und fragte nach seinem Befinden, er kratzte sich unbeteiligt am Ohr… er sah nicht gerade nach einem Sterbenden aus, aber ich war mir noch nicht so sicher, mir schwebte der Begriff „walking ghost“ im Kopf herum.
Silvester war gerade vergangen, als ich mir fast sicher war, dass der Hund nicht plötzlich umkippen würde, als ich ihm in eines der Schlappohren zuraunte, dass wir einen Pakt hätten.
Einen Pakt, der nur dem Hund und mich etwas angeht, und den nur ich wiederholen könnte, denn der Hund ist ja dement.

one way or the other

one way or the other

Bleibt alles anders

Eine Fahrt in eine Vergangenheit, die es niemals so gab. Ich werde in eine Landschaft gesogen, die nicht nur durch die Feuchtigkeit Stockflecken aufweist, sondern in gelbstichigen Sepiatönen meine Erinnerungen in sich trägt.
Schweigend höre ich zu. Bin ich ihr Mediator? Gräser fragen mich verzagt und auch die Menschen passen mich ab. An den wie Netzen ausgeworfenen, Hilfe suchenden Blicken gehe ich vorbei. Ich habe nichts zu geben, es tut mir leid. Es tut mir leid. Ansonsten bin ich der Mediator, behalte meine Gefühle im Kopf und versuche mein sprechendes Gesicht starr zu halten.
Aber ich bin farbiger, farbiger als die anderen. Trotzdem fühle ich mich leer. Farbe ist nicht alles.
- „Der Mensch strebt nach Glück und will ewig leben.“
- „Nein.“

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