Montag, 31. März 2008

Der Mann vor und hinter der Kamera

Filmeindrücke, vor allem zu the Cameraman

In meinem Zimmer hingen nie Poster. Zum einen war meine Mutter höchst streng was das anging und hätte mir selbst für ein Welpenposter von der Apotheke (gibt es die eigentlich noch, die Zeitschriften der Apotheke, die aufgeklappt ein Poster kuscheliger Tiere zeigen?) einen Rahmen, sowie zu Hammer und Nagel eine Wasserwaage in die Hand gedrückt. Irgendwie kommt man dann nicht so leicht auf die Idee Poster aufzuhängen… und als sie sich nicht mehr um das Interieur meines Zimmers kümmerte war mir jedes Verlangen abhanden gekommen Poster an die Wand zu kleben. Was nicht bedeutet, dass meine Wände kahl waren, aber Poster hingen keine an ihnen. Das einzige was vielleicht als Poster durchgehen könnte waren meine Bilder von Buster Keaton in allen möglichen Rollen. Neben meinem Stundenplan über einen meiner Tische saß er neben Kisten und Eimern zusammen gekauert aus dem Film College, ordentlich in Rahmen als Blickverwehrer auf dem Fensterbrett neben Pflanzen stand er stolz vor einer Lokomotive aus dem Film the General oder saß auf dem Radkasten neben der Angebeteten aus dem Film the Cameramen.
Ich liebte seine Figur und konnte erst durch sie den slapstick-Humor nachvollziehen. Ich liebte diese körperliche Beherrschung, diese Ausdrucksfähigkeit in der starren, grundtraurigen Mimik. Es erschien mir immer so, als würden seine Figuren gar nicht wissen, dass ihr Gesicht ein Mittel zur Kommunikation ist. Das Gesicht besteht bei dieser Figur nur aus Augen, nur aus Schauen. Sie blickt in eine Welt und ist Betrachter. Nur zu gern will sie am Leben teilnehmen, meist weil sie die Geliebte für sich gewinnen will, aber es fällt ihr unheimlich schwer.
Buster Keatons Figuren sind Träumer, von der Realität abgeschnitten, aber mit einer erstaunlichen Fähigkeit sich schließlich doch zum Helden aufzuschwingen, dabei aber selbst erstaunt, dass sie es vollbracht haben. Dabei handeln sie aber nie verzagt.
In the Cameraman tut Luke einfach alles um der Angebeteten Sally nahe zu sein. Er sattelt vom Beruf des Straßenfotografen um auf den des Kameramanns, da Sally als Reporterin oder Sekretärin bei der MGM-Wochenschau angestellt ist. Allerdings ist er derart unbedarft, dass er nicht nur von den „Kollegen“ mit seiner alten Kamera nicht ernst genommen wird, sondern auch den Zorn des Redaktionsleiters auf sich zieht. Sally, die durchaus etwas für ihn übrig hat, kostet es fast den Job, als sie nur ihm einen Tipp gibt. Doch Luke reines Herz triumphiert schließlich doch über den Rivalen um die besten Bilder in der Berichterstattung und um das Herz Sallys.
Wenn es überhaupt so etwas wie einen Traummann für mich gibt, dann habe ich diesen in den Figuren von Buster Keaton gefunden. Luke liebt und deshalb handelt er. Alles in seinem Leben richtet sich danach der Geliebten nahe zu sein. Er macht die waghalsigsten, körperlich erstaunlichsten Dinge, glaubt daran alles werden zu können, aber nicht um anzugeben. Nein, er macht dies alles um bei Sally sein zu können. Die Male, in denen er versucht aufzuschneiden gehen offensichtlich daneben. Er, und am Anfang auch Sally, nimmt gar nicht wahr was er alles heldenhaftes so nebenbei bewerkstelligt. Er ist jemand der weiß was Scheitern bedeutet und trotzdem nicht aufgibt. Und dass er nicht aufgibt zeigt, dass er nicht schrecklich langweilig selbstlos ist, sondern danach strebt seinen Herzenswunsch zu erfüllen. Und dabei ist Sally kein Sehnsuchtsobjekt, sondern ein Mensch und Luke verhält sich demnach auch so.
Doch die Filme Keatons haben weit mehr zu bieten als nur die Hauptfigur. Neben einer schlichten Handlung sind sie in ihrer Erzählweise und der Weise wie sie gefilmt worden herausragend. Keaton plante alles minutiös und reizte die damaligen Techniken aufs Äußerste. Er führte lange Kamerafahrten ein, erstaunlich gute Trickfilmtechniken, so erscheint Keaton in einem Bild von the Playhouse neun Mal und vor allem ist die Körperbeherrschung Keatons herausragend. Seine Stunts waren lebensgefährlich (jeder kennt zumindest Filmzitate von seinen Stunts, in einem lässt er eine Hauswand auf sich herunterstürzen, er bleibt durch die Aussparung eines Fensters unverletzt), seine Körperbeherrschung als Akrobat war so großartig, dass manche Bewegungsabläufe schlicht surreal wirken. Keaton stürzt in allen möglichen Variationen, allerdings kommt zusätzlich zu dem Sturz noch mindestens eine weitere Drehung, Rolle um sich selbst. Er scheitert sozusagen künstlerisch, ästhetisch und besonders.
Heute habe ich nur noch ein Bild von ihm in der Wohnung stehen, dafür aber umso mehr Filmmaterial in den Regalen.
Die Filme kann ich nur empfehlen, viele seiner frühen Filme sind nur noch fragmentarisch erhalten, aber seit einiger Zeit kann man wirklich viel in recht gut aufgearbeiteter Qualität bekommen.

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