Sonntag, 16. November 2008

"Auf meinem Grabstein soll stehen: Auf Wiedersehen! Das ist die schönste Drohung, die ich mir vorstellen kann."

In vielen Berichten und jetzt auch in drei Aufführungen kann man die künstlerische Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheit von Schlingensief miterleben, dabei spüre ich wie so oft mit der Beschäftigung mit seinem Werk eine große Ambivalenz. Ich fühle mich hin und her gerissen, nicht nur dass meine Urteile wie ein Pendel im Raum schwingen sein Werk für mich zwischen Einfühlsamkeit, Höchstinteresse und widerlicher Effekthascherei und Banalität, falscher Erkenntnis und Wirklichkeitserfahrung.
Und als ich nur die wenigen und kurzen Aufnahmen "Kirche der Angst vor dem Fremden in mir" sah, schwang das Pendel in mir wieder stark aus. Aber Pilz trifft es ganz gut mit der Aussage: „In Duisburg war es, als säße man mit Schlingensief am überbordenden Altar der Endlichkeitsanbetung, in Berlin ist es, als blättere man mit ihm in der Krankenakte. Hier wie da entzieht sich das Theater jedoch jeder Kritik - der Künstler Schlingensief macht sich unangreifbar, weil der (kranke) Mensch Schlingensief inszeniert ist. Krankheit aber lässt sich nicht kritisieren, nur heilen oder annehmen.“
Wobei das Werk sehr wohl kritisierbar bleibt, aber man sich fragen muss, ob Effekthascherei in diesem Zusammenhang überhaupt existieren kann. Mein Pendel schlägt jedenfalls nahezu nur in Richtung der Intensität.
Diese Nutzung des Privaten bis aufs Äußerste, die Kunst des eigenen Überlebens und Sterbens zeigen, das rührt nicht nur an, es ist brutal und rüttelt gerade wegen der Anmahnung der Authentizität an.

mehrLicht - 17. Nov, 00:40

Inszenieren hilft erkennen. einen fall, eine situation, eine ordnung, ein chaos, eine unmöglichkeit, einen fakt, eine rolle, einen charakter schaffen, um in Schichten vorzustoßen, die Pilz die Knie schlackern lassen? Es ist die menschliche Existenz, die bei Schlingensief immer eine herausragende Rolle gespielt hat. Dass seine Stücke, Aussagen, Botschaften stets weit über das hinausgehen, was ein "normaler" Regisseur beim Setzen der Figürchen auf der Bühne tut, ist bekannt, die Außen-Innen-Verbindung war bei ihm immer extrem, egal, ob er Wagner inszenierte oder Happenings in Fußgängerzonen. Die Konsequenz liegt da im Nie-Sicher-Sein, in ständigen Polaritäten und birgt eine enorme Energie. Und richtig, freigelegt in dieser Selbstspiegelung ist es wohl das Brutalste, was man sich im Theater vorstellen kann. Wie armselig rtl-zwei-haft wirkt dann ein nackter Lear in Düsseldorf oder der Fliegende Holländer der Schlachthöfe in Leipzig...

AiHua - 18. Nov, 17:46

Die ganzen nackten Schauspieler in ihren Kunstblut finde ich auch meist eher ermüdend. Ist aber nicht so, als hätte nicht auch Schlingensief so manche Sauerei auf der Bühne angestellt...
mehrLicht - 18. Nov, 21:00

und noch ein Wort zu den Sauereien: jeder Regisseur mag mich nun killen, aber ich finde eben, das das "Müssen" in einer Schlingensief-Sauerei viel deutlicher ausgeprägt ist als in Blutbeutelkarnevalsaktionen anderer Regieheinis. Das "nichtanderskönnen" ist aber wohl etwas, was sich jenseits aller Objektivität über den Bühnenrand mitteilt, und ganz sicher auch nicht jedem.
vonWegen (Gast) - 17. Nov, 16:20

Ich urteile leider auch nur aufgrund von Presseberichten, aber die Lust, mir das Theater in Duisburg anzuschauen, hielt sich sehr in Grenzen. Tatsächlich lässt sich Schlingensiefs Krankheit nicht kritisieren – aber wie Du schon feststellst: ihre Inszenierung wohl. Und dass diese etwas Peinliches hat (im buchstäblichen Sinn), passt zwar in die Reihe dessen, was mich an Schlingensief schon immer sowohl genervt als auch unterhalten hat. Nur fällt jetzt das Humoristische weg, und das ist, was mich am meisten stört. Wo liegt der künstlerische Mehrwert, wenn schmerzgrenzüberschreitende Distanzaufhebung nur noch Aufmerksamkeit und Betroffenheit produziert, sie aber weder Erkenntnisgewinn noch Unterhaltung erzeugen kann? Da ist es doch noch interessanter, in einen Schlachthof zu gehen.

And now for something completely different:

Dir auf diesem Weg das Beste zum Geburtstag, liebe Aihua, mach bitte weiter so, sei gesund und bleibe apart.

AiHua - 18. Nov, 17:44

Wie gesagt, ich bin mir da noch nicht ganz sicher. Ich habe mich da immer noch nicht entschieden, wobei ich eben schon gar nicht weiß ob ich es mir überhaupt "gerne" ansehen würde.

Und danke für Deine Wünsche.
erphschwester (Gast) - 17. Nov, 21:47

heij

das kind hat geburtstag (gehabt)! na, aber dann auch von mir alles gute. und ich behaupte gar nicht, dass ich es je gewusst oder mir notiert hätte, freue mich jedoch, es mal mitgekriegt zu haben.

AiHua - 18. Nov, 17:42

Danke, so mag ich Geburtstagsgrüße auch...
To01 - 17. Nov, 21:55

herzlichen glückwunsch, ai hua!°

AiHua - 18. Nov, 17:46

Danke Herr To01!
NeonWilderness - 18. Nov, 18:13

Ach ja na klar! Beinahe hätten Sie mich mit diesem Schlingensief-Gedöns abgelenkt. Alles Gute zum gestrigen Geburtstag! ;)

AiHua - 18. Nov, 18:17

Ach was abgelenkt... danke.
mehrLicht - 18. Nov, 20:58

Huch...Geburtstag! Schlingensief hätte Dir einen Parsifal-Hasen gewidmet, sicherlich den größte, schönsten, blendendsten. Ich gratuliere und wünsche Gesundheit und Frieden!

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