Mittwoch, 16. September 2009

Wird wirklich das Bestand haben was es wert ist?

Manche Dinge bleiben vergessen, unverstanden, unbearbeitet, höchstens von Heimatforschern und Touristikbranche leicht vermarktet. Selbst wenn der einen oder andere vom Gegenteil überzeugt war. Mich wundert das bei dem einen oder anderen auch, warum ist das ein Nischenthema und das andere nicht? Dabei bin ich meist wenig hoffnungsfroh nach vorne hin und lasse mein Janusgesicht im Schatten gegen das Vergessen anreden.
"Wenn ich erst mal 80 Jahre tot bin, werden die Menschen endlich wissen, was für ein großartiger Künstler ich war", soll einer gesagt haben, der bis heute kaum bearbeitet wurde. Eine unveröffentlichte Biografie, eine Dissertation und die Texte einer Tagung, der eine oder andere kleine Aufsatz, in die Ecke der schrägen Vögel gesteckt und Karl Junker wurde von der Psychoanalyse mal als schizophrener Künstler gewürdigt. Der eine oder andere kennt sein Haus in Lemgo, an Regentagen muss man im Urlaub ja auch mal was machen. An denen ist das Fachwerk des Hauses, welches auf dem ersten Blick an die Weserrenaissance-Fachwerkhäuser erinnert und auf dem zweiten schon einen wirklichen schrägen oder auch einfach höchst kreativen Vogel erkennen lässt, das Wasser eingesogen, dunkel aufgeschwemmt.
Und mich, was interessiert mich dieser Künstler, der zurückgezogen stetig an und in seinem Haus arbeitet? Klar, die Zeit. Ich gebe es zu, mich zieht diese Zeit an. Die Zeitspanne zwischen zwanzig Jahre vor und nach dem letzten Jahrhundert elektrisiert mich, zieht mich an, so wie es mich auch häufig ekelt, sodass es also mich immer stark berührt.
Und ansonsten? Ein Künstler der auf Fernwirkung arbeitete, oder von Nahem nicht das hielt was er versprach? Bin ich das nicht auch, finde ich mich nicht dort genau wieder? Wir sind vielleicht füreinander wie geschaffen. Entweder wir bleiben beide in der Versenkung, ich kann mir ja auch eine Geisteskrankheit zuschreiben lassen, wenn ich mir zwanzig Katzen halte, dann hält man mich auch für einen Sonderling, oder aber wir werden beide aufsteigen, in Pastellfarben im historischen Himmel, gerahmt von grotesken „Knorpel“-Ornament des Künstlers, was für eine Zukunft!
Qualität? Ist das wirklich eine Frage, die ich beantworten kann? Will ich das? Denken wir doch einfach an die mittelmäßigen Werke, die Damien Hirst eine Zeit lang für riesige Geldmengen auf den Markt geworfen hat, oder aber Kincaid, der schließlich unter den zeitgenössischen „Künstlern“, soweit ich mich richtig erinnere, in den letzten Jahren zu den Meistverdienenden zählt, zumindest bei erstem fiel es einigen Leuten vor einiger Zeit noch nicht auf… Und ja, die Qualität ist nicht aller erster Güte. Vor allem wenn man ihn mit anderen vergleicht. Peiffer legt in Orpheus in der Unterwelt bei Karl Junker (1850-1912). Der Künstler und seine Werke zwischen Fatum und Fama glaubhaft dar, dass Junker stark von Cornelius beeinflusst wurde. Die Ähnlichkeiten zwischen ihnen ist tatsächlich deutlich. Dabei wird aber auch deutlich, dass die Qualität bei beiden nicht vergleichbar ist.
Gut, nachdem ich über Karl Junker einen schnoddrigen Blogeintrag dahingegossen habe, wird sich die Welt nicht in die andere Richtung drehen, aber man muss ja zumindest in einen Text etwas wagen… oder so.
Eines ist aber sicher, Junker hatte einen eigenen Stil, egal ob in der Malerei oder in seinen Schnitzwerken. Und was vor allem spannend sein dürfte für Forscher: Wenig ist gesichert von ihm bekannt und um ihn ranken sich viele Mythen. So das man anhand seines Werkes viel entschlüsseln kann, vielleicht sogar einzig entschlüsseln kann.
Ein Künstler vergleichbar mit Künstlern des art brut oder einfach nur gefangen im Mythenmeer? Wirklich durch die unglückliche Liebe selbst personifiziert mit Orpheus? Oder hat es diese Liebe nie gegeben? Und was mich vor allem interessiert ist die Einschätzung seiner Zeitgenossen, die zwischen Begeisterung und Abscheu schwankt. Aber es ist relativ schwer herauszufinden wer denn eigentlich aus welchen Gründen die jeweilige Meinung gefasst hat. Erschwert wird es auch noch dadurch, dass die Werke, die in den großen Sammelausstellungen zu sehen waren heute nicht mehr gibt (zerstört oder einfach verschollen).
Der offensichtliche Reiz ist also das Rätsel. Und das Rätsel erscheint es mir eigentlich immer wert.

T. Aschenlampe - 17. Sep, 01:13

in welchem zeitrahmen willst du bestand messen? reichen 5, 50, 500, 5000 jahre? und bestand für wen? für dich, für eingeweihte, für den schulkanon, für die menschheit?

ich denke, es gibt so eine art bedeutungsströme, da sprudelt etwas, ergibt mal ein bächlein, mal einen fluss, versickert auch mal und gelegentlich gräbt die bedeutung eines themas auch dauerhaft spuren ins gelände.

doch schließlich zählt ja nur, wie du schreibst, die bedeutung, die faszination, die irgendetwas für dich hier und heute hat. und wenn es irgendein künstler schafft, diese faszination irgendwann zu erzeugen, nun gut, ich würde sagen, dann hat das, was er schuf, exakt den wert, den ihm diese aufmerksamkeit zu diesem zeitpunkt bei bestimmten menschen verschafft hat. nicht mehr und nicht weniger.

oder anders gesagt: es gibt keine verkannten künstler. sowas glauben künstler und ihre liebhaber. aber es ist quatsch. hm, hartes wort. sagen wir mal: es ist ein mythos.

AiHua - 17. Sep, 14:11

Für mich hat der Künstler offensichtlich jetzt schon Bestand...
Tatsächlich bin ich wohl von einer Meinung ausgegangen, der ich mit Bedacht folge. Ich bearbeite keine Kunst, die nicht schon ein paar Jahre alt ist. Klar, ich gucke sie mir an, bewerte sie privat..., aber für Forschungsarbeit benötige ich einen Zeitraum zwischen der Kunst und mir im jetzt. Sie dient da als natürlicher Puffer, als Sieb, manchmal auch Katalysator. Nicht, dass man das nicht machen kann, ich gehe dem nur aus dem Weg. Zum einen, weil ich damit sozusagen allzu Zeitgeistliches oder Gegenwartsemotionen etwas ausloten kann, und zum einen, weil ich ganz persönlich eben an der Vergangenheit und ihrer Rezeption heute interessiert bin.

Ansonmsten, was hat Bestand? Ich gehe davon aus, dass in 80 Jahren Damien Hirst mehr Bestand haben wird, als ihn Junker heute hat. Vielleicht nicht qulitativ, aber man kann anhand seiner Kunst seine Gegenwart erklären, interpretieren. Und man wird es wahrscheinlich tun, weil er geschichtlich als erstes ins Auge fällt. Und das erscheint mir dann aus künstlerischer Sicht doch recht willkürlich.

Und natürlich kenne ich auch die vielen verkannten Künstler, die ich selbst gerne schnell vergesse. Allerdings hat sich in der Geschichte gezeigt, dass immer mal wieder Künstler "verschwinden" und nach ein paar 100 Jahren womöglich wieder auftauchen. Friedrich könnte dafür herangezogen werden.
Die Gründe sind häufig erstaunlich zufällig und deshalb -zumindest für mich- bemerkenswert.

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