Donnerstag, 24. Juni 2010

Wenn das Herz sich dehnt. Wenn …?

Viel zu früh erreichten der Koffer und ich den Bahnhof. Leider hat mein Koffer keine Entität, aber mürrisch kam er mir schon vor, während ich ihn wie eine Tigerente hinter mit herzog. Wir trotteten durch unpersönlich designte Bücherläden und Snackshops, kauften Getränke. Dachte ich an den Koffer, als ich zwei Flaschen aus dem Kühlregal nahm?
Vor mir war ein junger Reisender, vielleicht Amerikaner, vielleicht Australier, der zu seinem Fruchtsalat einen „Spoon“ erfragte und eine Plastikgabel bekam. Verwirrte ihn die Gabel so sehr, dass er deshalb sein Ticket aus dem Tresen vergaß? Vielleicht. Doch ich rettete ihn, sicher hieß er Horatio. Ich sah, dass er nach Madrid fahren wollte. Oh Horatio! Ich suchte ihn in der Nähe des Shops und war glücklich ihn zu sehen. „Sir, did you forget your ticket?“
Was irritierte ihn mehr, die Gabel, das „Sir“, sein Ticket in meiner Hand? Ich drücke es ihm in die Hand und drehe mich um. Der Zug fährt im lärmigen Bahnhof ein. Die Leute sind hektisch, weil er zu früh kam und weil er falsch rum einfuhr. Alle wissen, dass er erst ein einer ¾ Stunde wieder aus dem Bahnhof fahren wird, aber trotzdem laufen sie los. Die Frau mit den sehr hohen Plateauschuhen und dem noch größer und mürrisch wirkenderen Koffer als meinen, genauso wie der offen lachende Zugschaffner. Ich bleibe mit dem Buch sitzen und halte vorsorglich meinen Koffer mit der Linken fest. Man weiß ja nie ob die beiden sich nicht mögen sollten, meiner ist bestimmt bissig.
Im Zug, als er längst fährt, mein Koffer längst hinter zwei Sitzen verstaut schläft, sehe ich aus dem Fenster und mein Herz dehnt sich. Weil ich rückwärts fahre? Vielleicht. Die Landschaft ist noch hügelig, Marienstatuen stehen an den kleinen Abzweigungen der Landstraßen, da fühle ich schon den Norden ziehen. Ich fahre rückwärts, zurück. Zurück wohin? In den Norden, in die Vergangenheit?
Wie immer will ich nicht fort und spüre trotzdem Sehnsucht. Sehnsucht, die mit jedem Kilometer aber nicht abnimmt, sondern gleich bleibt. Wirst Du es genauso spüren? Wirst Du meine Abwesenheit spüren, aber mich dennoch nicht immer abschütteln können? Ich lege Dich und die Fragen sorgsam auf weichen Grund und schließe den Deckel. Du bleibst, aber mein Herz drängt auch.
Nordwärts. Doch Herz, hab Geduld. Erst der Westen, erst Treppen und weitere Hügel, Berge. Was soll ich dagegen tun? Für mich sind viele Hügel Berge. Ich werde mit der Schwebebahn fahren, an kleine Elefanten denken und mich wappnen, meinen Kokon spinnen. Den Kokon, den Panzer, den ich in meinem zurückgezogenen Alltag fast vergessen habe.

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