Die Mast
29.06.2010
„Im Süden gibt es nicht genug zu essen.“ MEE hebt kurz mein Handgelenk vom Tisch und lässt es zur Anschauung für alle wieder fallen. „Seht ihr, nichts dran.“ Ich blicke sie nur irritiert an, ansonsten habe ich meinen Kokon um mich gesponnen. Noch bin ich mit feinster, weicher Seide bedeckt und sicher. Deshalb sage ich ihr auch nicht, dass dieser Schlachtrosskörper zwar schmale Fesseln, aber ansonsten die stärksten Knochen der Welt hat. Ich sage nichts und esse die restlichen Kartoffeln auf, den irgendwer muss ja noch den letzten Rest essen. Irgendwer heißt Ai Hua. Als hätte ich es mir nicht gedacht, dass ich irgendwer bin. Wenig außergewöhnlich in der ach, so außergewöhnlichen Familie voller Einzigartigkeiten.
„Dort, wo es dir weh tut,
da ist dein Herz.“
Wie viele Mutter, bringt auch meine mich in peinliche Situationen, weil sie meint, Dinge erzählen müssen, die meine Seele widerspiegeln würden. Wahrscheinlich tun sie das auch, ich würde sie nur gern hinter mich lassen. Ich werde immer älter und mag immer weniger das, was ich alles bin. Aber ich kann damit leben. Es gibt Schlimmeres, als nicht den Erwartungen von allen zu erfüllen.
Ich kaue immer noch, als die alte Dame erzählt, wie sie damals auf dem Gut noch selbst geschlachtet haben. Wieso fühle ich mich wie ein Mastschwein?