Dienstag, 9. Oktober 2007

12 Uhr vorbei

Als ich mitbekommen habe, welches Buch diesmal den Deutschen Buchpreis bekommen hat, war ich nicht verwundert. Sicher, es gibt Ausnahmen, aber trotzdem habe ich den Eindruck, dass man in Deutschland was reißt, wenn man irgendwie die Geschichte des Nationalsozialismus verarbeitet. Und wenn die nachfolgenden Zeiten, dann doch bitte immer mit einem Hauch der gerade vergangenen, noch immer nachwirkenden Zeit.
Die Mittagsfrau trifft genau die Zeit, die Romanheldin ist auch noch jüdischstämmig. Ich finde das teilweise sehr bitter für andere Bücher.
Was allerdings nicht heißen soll, dass das Buch schlecht ist (oder ich generell etwas gegen Bücher hätte, die diese Zeit verarbeiten). Schließlich ist Franck kein unbeschriebenes Blatt, ihre Sprache hoch gelobt und was wohl auch die Menge mal wieder fesselt, es steckt die eigene Familiengeschichte mit darin. Also das wunderbare faszinierende Spiel des Lesers um Fiktion und Wahrheit. Und diesmal gibt die Autorin gerne Auskunft darüber inwiefern Geschehnisse wahr sind… wunderbar auch für die Werbemaschinerie.
Es reicht nicht einfach die Familiengeschichte auf ein Blatt zu kritzeln, aber das Interesse ist womöglich größer, als z.B. die Geschichte eines Paares, welches sich am Frankfurtertor mit Gemüsehändlern rumschlägt (na ja, das Buch hat ja vielen wegen der „aufgesetzten“ Sprache nicht gefallen).

tinius - 9. Okt, 22:08

Du darfst nicht vergessen, daß zumindest alle 6 Titel auf der Shortlist - von Glavinic über Lange - Müller bis hin zu Mosebach oder Köhlmeier und Steinaecker eine recht breite Wahrnehmung und kritische Würdigung in den Feuilletons erfahren werden (Weder in meiner Buchhandlung noch in der Buchabteilung eines nahegelegenen Kaufhauses war überhaupt einer der nominierten Titel vorrätig). Und daß Frau Franck (oder die Jury) möglicherweise einen inhaltlichen Trend bedienen, finde ich weder verwerflich, noch ungerecht den anderen Titeln gegenüber. Maßstab ist allein die konkrete Ausarbeitung in dem ausgezeichneten Titel. Und die scheint - soweit ich das Presseecho verfolgen konnte - trotz einer gewissen Konventionalität wohl durchaus gelungen. Zudem gebe ich zu bedenken, daß gerade der Deutsche Buchpreis und der Preis der Leipziger Buchmesse auch als Marketinginstrument nicht nur nationaler Ausrichtung konzipiert sind (und anscheinend auch genau diesen Zweck erfüllen). Zudem bin ich eigentlich ganz froh, daß es eine zwar nicht ganz unbekannte, aber doch eher noch aufstrebende Autorin getroffen hat, sodaß ein gewisser Aspekt des Förderns deutschsprachiger Literatur immer noch merkbar bleibt. LG tinius

AiHua - 9. Okt, 23:57

Ja, bestimmt hast Du recht. Die Bücher können sich durch die Nominierung schon über viele Pressebeiträge freuen. Ich finde es auch an sich gut, dass man an das Publikum denkt, und das Thema ist einfach der Renner, ich mag selber aber eben andere Bücher lieber aus der Auswahl, und meine auch, dass man begründen kann, warum andere besser sind. So dass ich das gefühl habe, dass die Thematik, die Verknüpfung zur Wirklichkeit viel zur Wahl beigetragen haben.
T. Aschenlampe - 9. Okt, 23:02

Ist bei Dir und dem Fanatiker zur Zeit Dissen von Juden angesagt? Seltsam.

sjAlfur - 9. Okt, 23:34

absolut. juden sind scheiße. genauso scheiße wie alle anderen auch. genau so viel. genau so wenig. wie jeder mensch. blogger zum beispiel.

beantwortet das die frage?


[oder anders: ich bin gegen das ausschlachten des themas "nationalsozialismus". ich bin gegen die vermarktung des zweiten weltkriegs und war schon immer gegen lehrer - bevorzugt aus der 68er generation - die meinten, schülern so etwas wie eine vererbte kollektivschuld auferlegen zu müssen. ich habe auch nciht selten etwas gegen die politik israels. dass man damit in deutschland gleich zum antisemit wird, muss man wohl hinnehmen (auch wenn es menschen gibt, denen ich etwas mehr sachlichkeit im urteilsvermögen zugetraut hätte...). ich gebe nur zu bedenken: niemand, der egal in welcher form über den iran lästert, wird als moslemhasser bezeichnet. und ich würde auch nie israel mit "den juden" gleichsetzen. genausowenig würde ich die präsidentin des zentralrats der juden mit dem judentum an sich gleichsetzen. trotzdem darf ich sie nicht mögen. genauso wie ich den papst nicht mag, deshalb hasse ich nicht gleich das ganze christentum. aber genau das ist der punkt, wo hierzulande die meinungsfreiheit endet. genauso, wie man alles gutfinden muss, was mahnend gegenpber der nazizeit den finger hebt, egal ob man dahinter einen lehrauftrag oder ausschlachtung im knopp'schen sinne vermutet.

aber... und das meinte ich mit der überschrift des beitrages, den ich vom blog genommen habe, weil er trivial war und genausolche unsinnigen reaktionen hervorrufen könnte, das beste mittel ist ja bei solchen themen: einfach mal die fresse aufreißen.]
AiHua - 9. Okt, 23:45

...

...
wo habe ich etwas gegen Juden geschrieben? Ist es Dissen, wenn ich meine, dass es einen Zusammenhang gibt, dass in Deutschland Bücher "gut gehen", wenn sie die volle Palette des Nationalssozialismus abarbeiten? Ich habe sogar das Buch gerne gelesen, hätte aber persönlich gerne ein anderes Buch als Sieger gesehen. Ich weiß nicht was ich gegen Juden irgendwann geschrieben haben soll, aber hier ganz bestimmt nicht. Ich finde also Deine Äußerung sehr seltsam. Allerdings werde ich jetzt mal meinen Blog, sowie den sjÁlfurs genauer lesen, auch wenn ich noch gerne darauf hinweisen würde, dass wir zwei unabhängige Menschen sind, die auch anderer Meinung sein können.
...ich glaube, ich bin im falschen Film, oder habe was falsch verstanden.
T. Aschenlampe - 10. Okt, 00:26

@sjAlfur:
Der Unterschied im Umgang mit Iran und Israel von unserer Seite aus liegt schlicht in der Banalität von ca. 5 Millionen massakrierten Juden. Es geht auch nicht um eine Kollektivschuld, sondern um eine Kollektivscham. Für die Verbrechen der deutschen Nazis schäme ich mich noch heute (wie auch für andere Peinlichkeiten den deutschen Geschichte). Dass jemand das nicht so empfindet, versteh ich nicht. Definitiv. Und Deine Meinung zum Thema Meinungsfreiheit - also da komm ich gar nicht mehr mit. Niemand hindert Dich, Deine Meinung zu äußern. Also, wo endet Deine Meinungsfreiheit?

@AiHua:
Sorry, aber im Zusammenhang mit sjAlfurs Pamphlet kam der Satz "die Romanheldin ist auch noch jüdischstämmig." dann schon etwas merkwürdig bei mir an.
AiHua - 10. Okt, 00:34

Ich weiß überhaupt nichts von irgendeinen Blofeintrag! Ich habe auch gerade keinen gefunden und eben erst gehört, dass es einen Blogeintrag gab, der nicht mehr da ist. Ich habe keine Ahnung was da wirklich drin stand. Und wie gesagt, egal was, ich bin doch nicht die andere Hirnhäfte sjÁlfurs.
Und "auch noch" bezog sich nur auf die Werbewirksamkeit. Was das mit Dissen zu tun hat kann ich nicht einsehen. Ich fühle mich da ernsthaft missverstanden.
sjAlfur - 10. Okt, 01:25

mir ist schon klar auf was das hinausläuft. kollektivscham... ist ja schön, wenn du die empfindest, aber ich tue das nicht. und ich wüsste auch nicht wofür. wenn ich mir die deutsche geschichte ansehe, fühle ich mich nicht schuldig. als ich beim schüleraustausch in italien war, kamen am jugendzentrum in brescia ein paar italiener an, die gehört hatten, dass deutsche da waren und begrüßten uns mit dem hitlergruß. ich bin bestimmt nicht derjenige, der sich wundert, warum die das gerade bei uns machen. ich weiß schon, was passiert ist und ich bin nicht ganz so blöd, wie du mich darstellst. ich weiß, warum die das gemacht haben als wir da waren und nicht bei austauschschülern aus z.B. spanien oder england. ich muss mich zwangsweise damit auseinandersetzen, aber ich kann nichts dafür, dass ich deutscher bin, ich fühle mich nicht schuldig, denn das würde zu ersteinmal eine nationalidetifikation erfordern, die ich an sich schon überflüssig finde.

dementsprechend kann ich auch mit einem juden sprechen und diskutieren ohne mir gedanken darüber zu machen, dass er jude ist. und ebenso kann ich einen juden kritisieren ohne die deutsche "kollektivscham" im hinterkopf zu haben.

wenn du mir auch nur irgendeinen anhaltspunkt dafür geben kannst, dass ich irgendwas gegen juden gesagt habe, dann bitte... ich warte. ich habe lediglich kritik gegenüber einer haltung geäußert, dass diese haltung von einer jüdin kam, sollte eigentlich nicht das große problem sein. aber eben weil es ein problem ist, dass man zu einem thema, das überhaupt nichts mit mir als deutscher zu tun hat, seine meinung nicht äußern kann ohne gleich wieder in die altbekannten mühlen der antisemitismus-vorwürfe zu geraten, genau deshalb sehe ich die meinungsfreiheit begrenzt.
sjAlfur - 10. Okt, 01:29

im übrigen hätten wir uns einen großteil der diskussion sparen können, wenn du so freundlich gewesen wärest, und beim finden meines beitrags mich einfach mal gefragt hättest, warum der nicht auf dem blog zu sehen war und warum ich den so geschrieben habe. das hätte leicht erklärt werden können, und eigentlich gehe ich davon aus, dass man erst fragt und dann schreibt... sowas kann man recherche nennen...

aber das sollten wir da weiterführen, wo es hingehört, auf deinem oder meinem blog, nicht hier, denn ai hua hat damit nun überhaupt nichts zu tun...
T. Aschenlampe - 10. Okt, 14:41

@AiHua:
Zugegeben, da ist mir was in den falschen Hals gerutscht, tut mir leid. Aber, wie gesagt, es war mir nach der Lektüre von sjAlfurs Beitrag dann doch ein bisschen zu viel Herumreiten auf dem Thema Einfluss von Juden in Deutschland. Wahrscheinlich und leider ein dummer Zufall.
@sjAlfur:
Meine Stellungnahme zu Deinen Stellungnahmen demnächst hier: www.blogigo.de/taschenlampe/Gesunder-Antisemitismus-vs.-freche-Juedin./36/
sjAlfur - 10. Okt, 15:10

wobei ich immer noch nicht verstehe, wo du bei meinem beitrag das "zuviel einfluss von juden in deutschland" rausnimmst... hätte der chef von siemens oder alt-kanzler schröder sowas gesagt, hätte ich genauso drauf reagiert... und zumindest bei schröder bin ich mir relativ sicher, dass der mit dem jüdischen glauben wenig am hut hat...

aber gut, ich les dann bei dir weiter.
tinius - 10. Okt, 00:50

Erst einmal als Anmerkung : Frau Franck ist Jahrgang 70 und damit 10 Jahre jünger als meiner einer, der sich selbst nicht zu den 68ern rechnen dürfte - aus Altersgründen. Antisemitische Tendenzen habe ich nicht feststellen können, und die Diskussion um Geschichtsverweigerung möchte ich nicht noch einmal aufwärmen, schon um hier als Leser und Kommentator weiter erhalten bleiben zu können. Wobei ich mit der Blogschreiberin selbst auch keine Probleme habe....
Derzeit besitze ich aus der Longlist Stadler, Köhlmeier und Franck. Glavinic, Lange - Müller, Menasse stehen definitiv noch auf dem Wunschzettel, angedacht sind auch Boehning, Lentz, Henisch und Mosebach. Ich gehe davon aus - und unter anderem daher rührt auch meine Büchersucht - daß es mit Fug und Recht eine Pluralität in der Literatur gibt und viele literarische Werke ihre jeweils eigene Berechtigung und Grundlage der Wertschätzung haben. Niemand ist gezwungen Frau Franck zu lesen, wahrnehmen werden sie allenfalls Leser anspruchsvollerer Literatur, denn an Hohlbein -, Lind - und anderen Adepten, sowie der schweigenden Mehrheit der Nichtleser und funktionellen Analphabeten wird sie eh unbemerkt vorübergehen. Und wer nun besser den Preis gewönne / gewonnen hätte, mag dem subjektiven Geschmacksurteil unterworfen sein, so wie die tatsächliche Kür dem Geschmacksurteil der Jury entstammen dürfte. Weder ist die Jury, noch der Anderswünschende dafür in Regreß zu nehmen. ;)
Ich gebe auch zu bedenken, daß der Roman die eigene Familiengeschichte thematisiert und somit einem vielleicht ganz anderen Trend als dem vermuteten folgt : Familie in allen ihren Formen und Verformungen (deren eine sich hier mit Sicherheit hier dargestellt findet) ist seit einigen Jahren eines der Grundthemen nicht nur der deutschen Literatur. Und auch die Aufarbeitung eigener familiärer Konstellationen - vom Sterben der Eltern bis zum epochalen Familienroman ("Melnitz", "Ullstein - Roman") oder gar der historisch - biographischen Familienrekonstruktion (Louise Jacobs : "Café Heimat - Die Geschichte meiner Familie") sind seit einigen Jahren fixer Bestandteil des Buchmarktes, möglicherweise als ein Symptom der Abkehr vom öffentlichen Raum und der Hinwendung zum Privaten ....

AiHua - 10. Okt, 01:42

Die Geschichtsverweigerung kannst Du immer wieder erwähnen, ich bin da nämlich auch ein Gegner. Schließlich sehe ich mich zu großen Teilen als Historikerin, der Erhalt, beispielsweise Kunst als Quelle oder überhaupt der Erhalt allen möglichen zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben.
Übriegens schön zu hören, dass Du keine Probleme mit der Blogschreiberin hast, das war so von ihr geplant.
Und das mit der Wahl und der subjektiven Meinung ist klar, sollte eigentlich auch genau so rüber kommen, dass ich gerne ganz subjektiv einen anderen Gewinner gesehen hätte.
sjAlfur - 10. Okt, 01:47

diese antisemitismus-debatte (die eigentlich keine sein sollte...) hat mit dem literaturbeitrag nichts zu tun... das ist eigentlich ein ganz anderes thema und gehört hier nicht her...

und die geschichtsverweigerung... ich will die diskussion nicht wieder anfangen, das hatten wir zur genüge, aber wie cih damals schon sagte: es war keine. aber der diskussionsgrund war damals ähnlich. entweder ich schreibe so vollkommen missverständlich, oder gewisse aussagen zwingen ohne berücksichtigung des kontextes gleich zu einer bestimmten auffassung, ob das nun wirklich im text steht oder nicht...

aber egal, wärmen wir das nicht wieder auf, meinungen sollen ja eh co-existieren...

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