Sonntag, 29. Juni 2008

Was mir gehört

Er ist müde, ich kann aber nicht mehr sitzen. Es reicht längst nicht mehr den Geist spielen zu lassen, ich muss Musik in der Brust spüren. Musik, die durch Haut dringt, die mein Blut so vibrieren lässt, dass mir schlecht im Magen wird, leicht im Kopf.
Ich trage Bernsteinohrringe zu einem bodenlosen schwarzen Kleid, die Träger meines BH’s sind schwarzpink, ich grinse meinem Spiegelbild zu, als ich die Schuhe überstreife. Stiefel mit Stahlkappen, ich weiß was ich vor habe. Das letzte Lächeln des Abends, ich streiche ihm über die Stirn und schleife die Tasche mit Ausweis, Geld für Alkohol und Eintritt hinter mir her. Ich benötige keinen Schlüssel, wenn ich wiederkomme ist er wieder wach.
In der U-Bahn lese ich Noten und ignoriere den Jungen gegenüber, der Haarspray mit Hilfe einer Plastiktüte schnüffelt.
Auf dem Fabrikgelände laufe ich an Stripbars und kotzenden Nachtvergnüglern vorbei um schließlich an der Fabriktür mit einem freundlich grinsenden Russen stehen zu bleiben. Jedenfalls lässt mich seine Fahne hinter dem Hocker das deuten. Er will meinen Ausweis sehen, bevor ich ihm das Geld rüber schieben kann und dafür einen verrutschen Stempelaufdruck auf meinen Puls gedrückt bekomme. Der Typ ist sicher jünger als ich. Aus dem oberen Stockwerken höre ich Patricks Wolf Bearbeitung von Annies Helpless Fool for Love etwas matschig nach unten tropfen. Und ich frage den Türsteher, ob ich meine Tasche bei ihm lassen könnte. Er nickt. Wenn man irgendwas in einem Club möchte, sollte man sowieso immer die fragen, sie schlagen einem selten etwas ab. Außer wenn man den Perso vergisst…
Ich laufe das voll gekritzelte Treppenhaus hoch, ganz oben stehen verschiebbare Kleiderständer, mit denen gerade ein paar Leute sich gegenseitig hin und her rollen. Ich stemme die Feuertür auf. Ich bin nach dem Halogenleuchten fast blind, in flackerndes Rot und gelegentlichem Grün gebadet. Der DJ spielt jetzt House. Ist mir egal, ich besorge mir etwas zu trinken, der Barmann empfiehlt Wodka mit Cranberry, dann gehe ich auf die Tanzfläche und fange an zu tanzen. Obwohl der Laden voll ist, sind nicht viele Leute auf der Tanzfläche. Mir egal. Für Menschen ist später noch Zeit.
Und ich muss auch nur zwei Lieder warten, dann kommt etwas was für mich aufgelegt scheint.
Ich singe mit, weil ich weiß, dass mich sowieso niemand hören kann. „…this was everything I had wanted but now I’m alone and angry…” Als der Jazzteil kommt, verschwinden noch ein paar von der Tanzfläche, mehr Platz für mich. Red Snapper ertönt städtisch und lässig, meine Schultern und Arme das Saxophon, meine Hüften der geslappte Bass, meine Füße der beschwingte Beat. Nach Hot Flush bin ich total durchgeschwitzt, meine Haare fast komplett haltlos trotz Zopfband. Die Tanzfläche füllt sich wieder und noch mehr. Warme Körper berühren sich, wenn es unangenehm wird, ertanze ich mir Freiraum, ich schaue niemanden ins Gesicht.
Nach mehr als einer Stunde verlasse ich den Club, gehe weiter durch holprige Asphaltgassen und an dampfenden Imbissbuden vorbei. Dann diesmal eine Kellertreppe und keine Kontrolle des Ausweises.
Es ist schon spät, die Leute sind aggressiv, als ich komme kommt es fast zur Schlägerei. Genau deswegen bin ich hier. Die meisten Frauen tanzen am Rand, ich nicht. Das billigstes ist Bier und das Wasser auf der Toilette aus dem Wasserhahn.
Bei frickligen Gitarren werfen sich die Körper durch den Raum. Ich werde ebenfalls aggressiv, nachdem ich den dritten Ellenbogen ins Gesicht bekomme und Blut schmecke. Zeit es ihnen heimzuzahlen. Wenn ich besonders heftig jemanden erwische wenden sie sich manchmal um, mit wutverzerrten Gesichtern, sehen dann mich und lächeln mir zu. Ich nicke. Ich bin nicht hier um mich zu kloppen, ich bin hier um mich abzureagieren. Und wegen der Menschen. Hier kann ich nicht genug in Gesichter sehen, Haut, die kurz zwischen Shirt und Gürtel sichtbar wird, der Haaransatz im Nacken. Als die DJ’s sich wechseln klingt die Wut langsam ab, die Rhythmen werden ausgefallener. Ich kenne nur die Hälfte der Musik.
Ich bleibe bis das Hauptlicht angeschaltet wird, ich habe schon auf den Weg nach Hause einen Kater und weiß nicht ob ich mich über die Vögel freuen soll, die längst den Morgen begrüßen.

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