Der Ara
Als meine Mutter mit dem Buddhisten (für die, die dieses Blog noch nicht so lange lesen, mein älterer Bruder) am Ende ihrer Schwangerschaft war, brachte sie ihren Ara zu meiner Großmutter, denn sie wusste nicht wann und wie lang sie im Krankenhaus sein würde.
Meine Großmutter wohnte in der Isestraße, eine der schönsten Straßen der Welt, finde ich, denn ich habe dort einen Teil meiner Kindheit verbracht. Habe die Bahn über mir rattern hören und bin unter den großen eisernen Pfeilern durch den Isemarkt gewandert und habe Bonbons gelutscht, während meine Mutter mir Geschichten erzählte von einem Hamburg, welches kaum Autos kannte. Teilweise leben jetzt noch die gleichen Familien (nur andere Generationen) in den riesig hohen Räumen mit den riesigen Treppenhäusern, an deren Treppengeländer man vom Dachboden aus bis zum Erdgeschoss durchrutschen konnte.
Meine Großmutter nahm also den großen Vogel zu sich und nicht nur sie hatte bald ein Problem damit, dass dieser Vogel nicht nur von der Größe enorm war, sondern auch in seiner Stimmgewalt. Er schrie, sang, egal ob glücklich, traurig oder einfach gelangweilt oder gar sehr amüsiert. Das Viech war sehr laut.
Und die Anwohner der Isestraße wohnten zwar in gewisser Hinsicht gehobener, aber Lärm waren sie von der überirdischen U-Bahn schließlich gewohnt. Sie blendeten den Lärm einfach aus und das leichte Rütteln. Doch niemand konnte den Ara meiner Mutter ignorieren.
Die verschiedenen Parteien trafen sich also in dem eleganten Treppenhaus und guckten jeweils aus ihrem Stockwerk hoch und runter um zu erfahren wo dieser unsäglich lärmende Störenfried sei und außerdem wer für ihn zuständig war.
Meine Großmutter stellte sich derweil zu ihnen und blickte sich ebenfalls um und beschwerte sich lautstark. Wer zum Teufel hatte so eine Schnapsidee gehabt und ihnen einen Schreihals von Vogel in das Haus gebracht? Sie war entrüstet, nur um schließlich wieder in die Wohnung mit dem langen Flur zurück zu kehren und dem Vogel noch ein paar Extrakörner zuzuwerfen.