Freitag, 28. September 2007

Schulbücher

Persönlich habe ich sie nur kennen gelernt, wenn ich meinen Pflegegeschwistern bei den Hausaufgaben geholfen habe, aber durch diese Fremdheit waren sie mir nie soo ganz koscher. Ich wusste nicht viel mit ihnen anzufangen. So verwundert es mich nicht sehr, dass Stiftung Warentest demnach schockiert ist über die gravierenden Mängel der geprüften Biologie- und Geschichtsbücher dreier Bundesländer. Und irgendwie haben sie ja Recht, es dürfte nicht sein, aber es erstaunt eben nicht, dass ausschließlich ein Buch pro Fach ein „Gut“ erhielt. Sicherlich, der Grundgedanke Schulbücher zu stellen um ein Niveau sicherstellen zu können ist ein schönes Ziel, aber dann muss man auch etwas tun. Und man müsste doch auch denken, dass man schließlich aus Erfahrungen (älteren Ausgaben) lernen könnte. Aber auch ganz ohne Stiftung Warentest schien es vorher klar, dass dies nicht der Fall ist. Jetzt wissen wir allerdings, dass auf jeder fünften Seite eines Biologie-Buches ein Fehler lauert. Ganz davon abgesehen, dass die Tester beklagen, dass die Texte schwer verständlich und didaktisch schlecht aufbereitet wären.
Und auch da spiegelt dieses Ergebnis nur die Erfahrung meiner Pflegegeschwister wieder. Ins Desinteresse verfallende Schüller und Lehrer, oder zumindest Menschen, die nicht wissen wie mit dem Stoff umgehen, wie Vermitteln oder wie überhaupt Aufnehmen.

tinius - 28. Sep, 13:02

Vermutlich wird inzwischen auch in Schulbuchverlagen am Lektorat gespart, eine Tendenz, die ja in belletristischen Verlagen zunehmend augenscheinlich wird und sich mit unnötigen Rechtschreibfehlern, augenscheinlich ungeschickten bis falschen Übersetzungen in die Augen brennt (von den Klappentexten ganz zu schweigen, bei denen man das Gefühl hat, man selbst habe gerade ein gaaanz anderes Buch gelesen).
Schulbuchverlage sind halt privatwirtschaftliche Unternehmungen, was allerdings nicht heißen soll, daß staatliche Schulbücher die bessere Alternative und vor allem fehlerfrei wären.
Didaktik und Methodik sehe ich als ein grundsätzliches - und beinahe philosophisches Problem : kann so etwas überhaupt und für die Mehrheit der Schüler funktionieren oder ist es nicht nur ein abstraktes, theoretisches Modell, das allenfalls durch engagierte Lehrer, die ihre Schüler und deren Wissensstand und Verarbeitungsmechanismen kennen, an Leben gewinnen kann ?
Ich zumindest habe immer einen Lehrer gebraucht, selbst als Erwachsener in der Berufsschule war es mir wichtig, Fragen stellen und Diskussionen zur Vertiefung führen zu können (und dann anhand meiner Aufzeichnungen zu lernen).
Ein weiterer Punkt ist, daß sich Schule immer mehr zur reinen Fakten - und Wissensvermittlung hin verschoben hat, während etwa die Frage, was fange ich mit diesem Wissen praktisch an, keine oder nur geringe Relevanz hat. Dementsprechend sind dann halt auch die Schulbücher - Kompendien recht trockener, rein theoretischer Inhalte.
Zuletzt : ich kann mich an meine gescheiterten Selbstlernversuche bei Fremdsprachen erinnern. Auch hier fehlte mindestens immer ein Gegenüber, das korrigierte, das Sprache in der Anwendung lebendig machte. LG tinius

AiHua - 28. Sep, 13:36

Ich finde bestenfalls sollte die Lehrerschaft, durchaus auch der einzelne Lehrer die Unterrichtsmaterialien auswählen. Schließlich muss er auch damit umgehen können. Das heißt also auch, dass ich finde, dass es zu großen Teilen seine Verantwortung sein sollte, was er Kindern zumutet. Ein Lehrer sollte sehen, dass das Material schlecht ist und sich somit um Besseres bemühen.
Aber ich bewege mich da auf dünnes Eis, ich habe nicht viel Ahnung von Schulliteratur. Was mich aber auch wieder zu dem Thema Schulwesen bringt. Und da finde ich eindeutig, dass nicht ein Schulwesen alle Kinder abdecken kann. Darum sollte es auch eine Flut von verschiedenen Systemen geben, um dem einzelnen gerecht zu werden. Ich halte beispielsweise persönlich die Waldorfschule oftmals als die bessere Schulart als die jetzige staatliche, aber ich würde nicht behaupten, dass jedes Kind mit dieser Form zurecht kommt.
Aber zurück zum Lehrmaterial und dem Lehrer: Das beides gehört ganz dicht zusammen, der Lehrer sollte auch zu seinem Material stehen. Es sollte nicht so sein, dass man ihm einfach Material in die Hand gibt, mit dem er nichts anfangen kann. Und ja, ich weiß, es gibt durchaus Lehrer, die mit Lernmaterial sehr gut umgehen und sehr gewissenhaft in der Auswahl sind. Aber irgendwie befürchte ich, dass das die Ausnahme im staatlichen System ist.
erphschwester - 28. Sep, 13:29

in den letzten wochen nahm ich wieder kontakt zu meiner ehemaligen lehrerin (82) auf. da lag es, unter vielem anderen, auch auf der hand, über schule zu sprechen. schule im osten, wie sie einmal war und für schlecht befunden ward. (um nun, nach erfolgreicher zerstörung des systems, festzustellen, daß einige sachen doch ganz gut ...) jedenfalls erinnerte ich m)ich, daß bereits damals (wir reden von +/- vor vierzig jahren) es bereits möglich war, die naturwissenschaftlichen fächer übergreifend zu unterrichten. sprich: wo chemie, physik und biologie miteinander zu tun hatten, spiegelte es sich auch im lehrplan wieder. wir reden nicht von einer waldorfschule, wo man das prinzip kennt, sondern einer für alle kinder. die lehrbücher waren entsprechend.
von meinen kindern wiederum, die hier im westen zur schule gingen, erinnere ich z.t. an schwachsinn grenzende schulbücher, die immer, wenn es schwierig zu werden drohte, ins vage abrutschten. einmal sogar habe ich einen vortrag für meine tochter ausgearbeitet, vollkommen wider meine eigenen prinzipien, weil mir zwei seiten großschrift als erklärung des zentralen nervensystems nicht nur etwas wenig, sondern als ein unding erschienen.

kurzum: ich bilde mir ein, vor vierzig jahren mehr und besser gelernt zu haben als die kinder heute. und eigentlich glaubt man ja doch immer, die dinge müßten sich nach vorn entwickeln ...
bücher, um zum thema zurück zu kommen, können immer nur so gut sein wie das system, aus dem heraus sie erscheinen.

T. Aschenlampe - 1. Okt, 11:58

Wer vom Schulbuch redet, darf von der Schule natürlich nicht schweigen. Und die empfinde ich als katastrophal. Nicht nur die gegenwärtige - sofern ich das aus der Distanz eines Vaters schulpflichtiger Kinder beurteilen kann, sondern auch die Schule, auf die ich in den 70ern ging. Im großen Ganzen ist es meiner Meinung nach kaum schlimmer geworden.

Die Katastrophe ist das Fehlen einer Sinnvermittlung. So habe ich es damals erlebt und so erlebe ich es heute bei meinen Kindern. Das Wissen wurde und wird einfach hingeknallt, heute - nach meinem Eindruck - irgendwie zeitgeistiger verpackt und weniger autoritär. Aber wozu diese Unmasse Wissen eigentlich gelernt werden soll, das erklärt/e einem weder das Buch noch der Lehrer. In einer sehr naiven Weise wurde und wird immer noch davon ausgegangen, dass man das selbstverständlich braucht. Aber mir leuchtete es als Pubertierender keineswegs ein, wozu ich mich mit diesen Toten, den Goethes, Schillers und Konsorten beschäftigen sollte. Oder mit den Fallgesetzen. Oder der Integralrechnung. Oder dem Zitronensäurezyklus. Oder dem Ackerbau in Indien. Und, und, und. Und das ist doch heute noch das Gleiche. Wenn mich meine Kinder irgendwas aus der Schule fragen, weil was sie nicht verstanden haben, sei es etwas Natur- oder etwas Geisteswissenschaftliches, bemerke ich, dass sie es nicht verstehen, weil sie es nicht einordnen können, weil ihnen niemand den Ort gezeigt hat, an dem dieses Wissen einen Sinn bekommt. So ein nutzlos erscheinendes Wissen wird weder gern gelernt noch gut behalten.

Ich vermute, dass den Wissensvermittlern, den Lehrern und Schulbuchschreibern, dieser Sinn ebenso wenig präsent ist, anders kann ich mir nicht erklären, warum die Schulbücher einen so zerfaserten, strubbligen Eindruck machen. Die Pädagogen denken wohl: Man muss es halt lernen, weil man es zu einem Kanon gehört und weil man es angeblich irgendwann brauchen kann. Das ist so wahr wie es falsch ist. Ich bin nach der Schulzeit ohne Fallgesetze und Integralrechnung durchs Leben gekommen. Und der Kanon ist ein Witz, wenn ich mir vorstelle, was Kindern alles nicht oder nur beiläufig beigebracht wird: Medienkompetenz, Wirtschaftskompetenz, Sozialkompetenz, Geschmackskompetenz. Na ja, ein weites Feld.

AiHua - 3. Okt, 17:09

Über das mit der Sinnvermittlung musste ich viel Nachgrübeln. Denn genau das ist auch eines der Probleme, die mein Pflegebruder mit der Schule hat. Und ich weiß nicht wie ich ihm helfen soll, denn ich weiß nicht ob ich ankomme. Ich selber hatte tatsächlich nie das Problem. Keine Ahnung, ich schätze, weil mir ein paar Menschen geholfen haben, zu denen ich viel Zugang, einen Gleichklang spürte, die zudem auch noch meine Lehrer waren. Und vielleicht ist es auch noch meine Art... Jedenfalls machte Schule für mich immer Sinn (auch wenn es durchaus Dinge gab, die ich nicht mochte). Es machte immer Sinn sich mit diesen Dingen zu beschäftigen, etwas für sich Nützliches herauszuziehen. Ich weiß gar nicht mal, ob es an dem anderen Schulsystem lag. Sicher bin ich mir aber, dass wenn ein Lehrer die Entscheidung trifft eine Ausbildung zu einem anderen Schulsystem zu machen, dann hat er sich eben genau über den Sinn Gedanken gemacht. Die Chancen stehen also gut, dass man zumindest, wenn nicht einen besseren, so einen bewussteren Lehrer auf der Alternativschule zu finden.
Seether - 1. Okt, 22:36

Hmmm... ich finde soeben die Erklärung warum mir nie jemand glaubt wenn ich sage das Uhus sich auch gelegentlich mal einen Fuchs reißen...

Und jetzt bitte noch ganz PISAlike die Nachbarländer kontrolliert! Ich will wissen ob wir mit dieser Dämlichkeit alleine auf unserem Kontinent dastehen oder ob es noch andere getroffen hat... Ich habe ja so eine Ahnung...

AiHua - 3. Okt, 17:10

Mir wollten auch einige nicht glauben, dass Raben zu den Singvögeln gehören...
T. Aschenlampe - 5. Okt, 00:50

Hab heute mit meiner Tochter darüber gesprochen und sie gefragt, warum sie das alles lernt, was sie da lernt. Ohne nachzudenken antwortete sie, weil Allgemeinbildung wichtig sei. Braves Kind. Dann schob sie nach - und für sie als zukünftige Schauspielerin sei es besonders wichtig, viel zu wissen. Okay, da sieht sie offensichtlich einen Sinn - und die elterliche Propaganda scheint zu funktionieren. Die Pubertät kommt ja noch. Denn da, finde ich, setzt das Sinnproblem massiv ein. Ist gerade bei ihrem 3 Jahre älteren Bruder zu beobachten, der findet Schule in toto doof, weil Schule seinem augenblicklichen Glücksstreben zuwiderläuft. Er kann durch die Quälerei, die es für ihn im Augenblick bedeutet, in keinem Fach außer Sport einen Sinn erkennen. Und da liegt der berühmte Hase im Korn und wir können die Flinte in den Pfeffer werfen. Denn es steckt ja wohl kein Sinn drin, wenn er nicht entweder von einem fähigen Pädagogen vermittelt oder vom Schüler mit Wissensdurst und eigener Arbeit hineingesteckt werden kann. Dummerweise nimmt die Motivation in der Pubertät oft drastisch ab. Und wenn dann auch noch die Lehrer unmotiviert, müde oder schlicht falsch am Platze sind... Bitte nicht missverstehen, will hier keine allgemeine Lehrerschelte loswerden, sie sind ja auch nur Symptomträger in einem vermurksten Bildungssystem, in dem das allgemeine intellektuelle Dämmern, in das unsere Republik gefallen zu sein scheint, besonders lähmend wirkt.

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